Sprache mit den Händen
Pfarrer Michael Pauly ist im Bistum Limburg für die Gehörlosenseelsorge zuständig. Er feiert beispielsweise mit hörgeschädigten Menschen Gottesdienste und ist bei Gemeinschaftstreffen dabei. Die Gottesdienste gibt es unter anderem in Wiesbaden, Limburg und Frankfurt-Höchst.
Pfarrer Pauly, was gehört sonst noch zu Ihren Aufgaben als Gehörlosenseelsorger?
Pfarrer Michael Pauly: Ich stehe im gesamten Bistum für Taufen, Trauungen und Beerdigungen in oder mit Gebärdensprache zur Verfügung. Die weiteren Aufgaben sind vielfältig und reichen von zweimonatlichen Dienstgesprächen in der Hörgeschädigtenseelsorge über das Übersetzen und Veröffentlichen vom Hirtenbrief bis zur Vernetzung und zum Austausch mit Gehörlosen-Seelsorgerinnen und -Seelsorgern aus anderen Bistümern. Und ich bin noch dabei, die deutsche Gebärdensprache (DGS) zu erlernen. Im Moment geschieht dies vor allem in der Kommunikation mit Menschen, die die Gebärdensprache beherrschen – bei vielen ist es ihre Muttersprache. Gleichzeitig leite ich gemeinsam mit Pfarrer Marcus Fischer die Pfarrei Heilig Kreuz Rheingau, in der – wie in vielen anderen Pfarreien – hörende, schwerhörige und gehörlose Menschen zusammenleben und glauben.
Was macht Ihnen in Ihrer Tätigkeit als Gehörlosenseelsorger besonders Spaß?
Pauly: Das ist ganz klar das Gebärden, sowohl in Gottesdiensten als auch in der Kommunikation mit Gehörlosen. Auch Lieder zu gebärden macht mir viel Freude. Besonders, wenn, wie beim letzten Gottesdienst, spontan alle mitgebärden.
Was kann jede und jeder Einzelne tun, damit Gehörlose oder hörgeschädigte Menschen mehr inkludiert werden?
Pauly: Natürlich wäre es toll, wenn alle Menschen Gebärdensprache lernten. Aber ein erster Schritt in der Kommunikation mit schwerhörigen oder gehörlosen Menschen ist es, langsam und deutlich zu sprechen. Einen Teil der Worte können Gehörlose vom Mund ablesen. Inklusion beginnt aber meiner Meinung nach schon viel früher: durch Offenheit und Verständnis, indem Barrieren gemeinsam in den Blick genommen und abgebaut werden. Oder auch durch gemeinschaftliche Aktivitäten, bei denen Lautsprache zweitrangig ist wie beim Sport oder beim Kochen.
Warum ist es wichtig, dass es Gehörlosenseelsorge im Bistum Limburg gibt?
Pauly: Seelsorge geschieht nicht nur im Blick auf ein Territorium, also ein abgegrenztes Gebiet wie z.B. eine Pfarrei. Sie geschieht immer auch kategorial, im Blick auf eine bestimmte Gruppe: Kranke, Gefangene, Schülerinnen und Schüler oder Studierende, Menschen mit Beeinträchtigung oder Menschen anderer Muttersprache.
Gehörlosenseelsorge ist vor allem für die zwei letztgenannten Gruppen da: Schwerhörige, die in der „Welt der Hörenden“ durch ihre Schwerhörigkeit beeinträchtigt sind in der Kommunikation mit anderen, und Gehörlose, deren Muttersprache die Gebärdensprache ist. Seit 2001 ist die Gebärdensprache als eigenständige Sprache anerkannt. In einem Bistum mit 33 Gemeinden von Katholikinnen und Katholiken anderer Muttersprache ist es gut und richtig, auch Gottesdienste in deutscher Gebärdensprache anzubieten für alle, deren Muttersprache die Gebärdensprache ist. Wenn Jesus gekommen ist „den Armen die frohe Botschaft zu verkünden“ und Kirchenentwicklung danach fragt, wozu Kirche heute da ist, dann gehört die Seelsorge für Menschen mit Beeinträchtigung aus meiner Sicht unmittelbar zu den wichtigen kategorialen Seelsorgefeldern.
Mit welchen Hürden oder Problemen haben Gehörlose oder hörgeschädigte Menschen im Alltag zu kämpfen?
Pauly: Hürden treten aus meiner Sicht überall auf, wo Lautsprache und Akustik im Vordergrund stehen. Wenn z.B. an Haltestellen von Bus oder Bahn nur Ansagen gemacht werden und die Anzeige nicht funktioniert. Wenn in der Arztpraxis oder auf einem Amt Menschen per Lautsprecher aufgerufen werden. Auch die Kommunikation mit Zettel und Stift ist nicht unbedingt barrierefrei, denn sie geht ja davon aus, dass beide Gesprächspartnerinnen und -partner Schriftdeutsch beherrschen.
Gibt es ein besonderes Erlebnis, das Sie in Ihrer bisherigen Zeit als Gehörlosenseelsorger geprägt hat?
Pauly: Ehrlich gesagt, stehe ich gefühlt noch am Anfang meiner Tätigkeit, auch wenn ich schon zwei Jahre dabei bin. Daher ist eigentlich jeder Gottesdienst ein Erlebnis für mich! Da Konfessionsgrenzen kaum eine Rolle spielen und viele Gottesdienste selbstverständlich ökumenisch gefeiert und von evangelischen wie katholischen Christinnen und Christen besucht werden, ist diese Tätigkeit für mich ein konkreter Schritt auf dem Weg zur Einheit.
Die Fragen stellte Felicia Schuld, Redakteurin des Bistums Limburg.