Zu Gast in einem Haus mit Seele
Die zierliche alte Dame hat eigens für diesen Anlass ein Foto mitgebracht, das sie sofort stolz herzeigt: Sie selbst ist darauf mit dem Limburger Bischof zu sehen. Entstanden ist es vor fast genau zwei Jahren am 18. Mai, als Georg Bätzing frisch geweiht auf Rundreise durch das Bistum im Untertaunus Station machte. Jetzt ist er im Rahmen der Visitation erneut in Idstein und zu Gast im Vinzenz von Paul-Haus, einer Pflegeeinrichtung des Caritasverbandes. Im Speisesaal riecht es an diesem Donnerstagnachmittag festlich nach frischen Waffeln, die Stimmung ist erwartungsvoll, die Freude über diesen Besuch deutlich spürbar.
Das ist ein Haus mit Seele
Die Begegnung mit den Menschen soll im Vordergrund stehen, das hat sich der Bischof vorher ausbedungen. Er nimmt sich Zeit dafür, geht von Tisch zu Tisch, wechselt mit allen ein freundliches Wort – manche wollen seine Hand gar nicht mehr loslassen. „Alles Liebe für Sie und Gottes Segen“, sagt er immer wieder und erntet strahlende Gesichter. Eine Bewohnerin, eigentlich durchgehend bettlägerig, ist an diesem besonderen Tag in einen Pflegestuhl umgebettet worden. Auch eine Rollstuhlfahrerin mit kurz geschnittenen weißen Haaren entpuppt sich als sehr gut vorbereitet. Sie hatte ihm im Vorfeld seines Besuchs sogar einen Brief geschrieben, von ihrer Sturzverletzung erzählt. Eine Idsteinerin, die sich als Mitglied des Heimbeirates engagiert, nutzt ebenfalls die Gelegenheit für ein paar Worte. Die Einrichtung sei ein „Haus mit Seele“, sagt sie.
Ein großes Hallo gibt es, als sich der Bischof als routinierter Waffelbäcker erweist und keine Tipps von Caritasdirektorin Maria-Theresia von Spee benötigt: „Natürlich habe ich ein Waffeleisen“, sagt er zum Erstaunen der Umstehenden. Seinerseits beeindruckt zeigt sich der Besuch aus Limburg angesichts des hier gepflegten Umgangs mit Demenzkranken, dem ein eigenes Konzept zugrunde liegt. Speziell für ihre Betreuung wurde ein Wohnbereich eingerichtet, der nach dem Psychobiografischen Pflegemodell nach Professor Erwin Böhm zertifiziert ist. Die Küche ist auf dieser Station auch in Sütterlin bezeichnet, im Bad sorgen Motive aus dem Hessenpark für eine heimelige Atmosphäre, die Sitzecke ist mit alten gemütlichen Möbeln ausgestattet und an der Wand hängen Schallplatten von Hans Albers und Peter Alexander. Auch hier wird sein Besuch deutlich wahrgenommen: „Guten Tag, Herr Pfarrer“, grüßt ihn im Vorbeigehen ein Bewohner.
Die Leiterin des Hauses, Eva Nadenau, und die Pflegedienstleiterin Jennifer Henz berichten vom großen Engagement der rund 60 Ehrenamtlichen, die das Haus unterstützen - mit den Bewohnern Bingo spielen, Musik machen, Besuche von Hunden ermöglichen, beim Mittagstisch mit helfen und für die regelmäßigen Gottesdienste in der Kapelle sorgen. Hier passt an diesem Tag kein Stühlchen mehr rein, so groß ist der Andrang zur abschließenden Maiandacht mit dem Bischof. Auch viele der Hochbetagten singen kräftig mit, die meisten brauchen kein Gesangbuch dafür. Das überrascht ihn nicht im Geringsten: „Die Marienlieder gehen halt direkt ins Herz.“