„Wir brauchen die Wörter jeden Tag“
„Was bedeutet rüstig?“, fragt Deutschlehrerin Andrea Stern beim Deutschkurs für Pflegekräfte im Marienheim der Caritas Altenwohn- und Pflegegesellschaft in Geisenheim in die Runde. „Jemand ist fit“, so die prompte Antwort. Das Wort „unternehmungslustig“ kommt den Anwesenden nur schwer über die Lippen. „Einfach Silbe für Silbe sprechen“, rät Stern. Insgesamt 15 Pflegekräfte üben zwischen Oster- und Sommerferien einmal in der Woche anderthalb Stunden lang gemeinsam die Fachsprache, die sie im Umgang mit den Pflegebedürftigen, den Kolleginnen und Kollegen aber auch für die Anfertigung der Pflegeberichte so dringend brauchen. „Wir würden gerne weiterlernen. Der Kurs ist sehr gut und hilft uns sehr“, sagt eine Albanerin, die seit 2018 in Deutschland lebt und seit 2020 in der Pflege arbeitet.
Gesprächssituationen werden eingeübt
Einige in dem Kurs leben schon seit 20 Jahren in Deutschland, haben aber noch nie einen Deutschkurs gemacht, da sie aus dem europäischen Ausland kommen, wie Polen, Rumänien oder Albanien. Mit dem Arbeitsbuch „Fachwortschatztrainer Pflege“ wird an insgesamt zwölf Kurstagen die Fachterminologie geübt. So müssen in einen Lückentext Begriffe wie „Filmtabletten“, „Kompresse“, „Mullbinde“ oder „Wirkstoff“ eingefügt werden. Erklärt werden die Verben „wirken“, „verschreiben“, „enthalten“, „schütteln“, „lindern“ und „ausspülen“. In Rollenspielen werden Gesprächssituationen mit den Pflegebedürftigen eingeübt. „Halten Sie während des Redens Augenkontakt. Das ist wichtig“, sagt Stern.
Im Austausch mit den Pflegedienstleitungen der Sozialstationen seien die Verständigungsschwierigkeiten innerhalb des Personals immer wieder Thema gewesen, berichtet Gregor Petermann, Abteilungsleiter Mobile Altenhilfe des Caritasverbands Wiesbaden-Rheingau-Taunus. Über 50 Prozent der Mitarbeitenden im Pflegehilfebereich hätten einen Migrationshintergrund. „Das sind viele gute Mitarbeiter, bei denen es nur manchmal sprachlich etwas hapert“, so Petermann. Gerade für die Pflegeberichte gebe es natürlich Programme mit Textbausteinen, doch das fördere nicht wirklich die Integration, berichtet Einrichtungsleiter Andrew Sheehan.
Als die Idee für den Kurs entstand, wandte sich Petermann an den Rheingau-Taunus-Kreis, der den Kontakt zur VHS herstellte. Schnell stand für Petermann fest: „Wir probieren das aus!“ Organisiert hat den Sprachkurs der Caritasverband Wiesbaden-Rheingau-Taunus und die Caritas Altenwohn- und Pflegegesellschaft. Die Stiftung Deutsche Sprache finanziert das Angebot. Die Teilnehmenden arbeiten im Marienheim Geisenheim, dem Haus St. Hildegard in Eltville und der Sozialstation Rheingau (mit Standorten in Geisenheim und Eltville).
Durchweg positive Resonanz bei den Schülerinnen und Schülern
Die Chemie zwischen Schülerinnen, Schülern und Lehrerin stimmt. Es werden nicht nur immer alle Hausaufgaben erledigt, viele arbeiten vor, weil sie das Erlernte im Arbeitsalltag gleich anwenden können. „So etwas ist wichtig für uns. Wir brauchen die Wörter jeden Tag“, so eine Teilnehmerin, die sich eine Fortsetzung wünscht, auch weil sie im Herbst eine Ausbildung zur Pflegefachkraft beginnt. Die positive Resonanz der Schülerinnen und Schüler freut Petermann, der sich gut vorstellen kann, aus dem Deutschkurs für Pflegekräfte ein Regelangebot zu machen.